Evangelisch-pastafarischer Kirchentag 2025 in Hannover

Heute beginnt der Kirchentag 2025 in Hannover. Neben Tausenden Mitwirkenden wird auch die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland erwartet. Die Pastafari präsentieren sich auf dem »Markt der Möglichkeiten« in Halle 6, Stand D42. Das Kircheninstitut bietet eine Einschätzung der theologischen, politischen und kulturellen Dimension des bevorstehenden Kirchentages – mit besonderem Blick auf interreligiöse Dynamiken.

Unter dem Mot­to »mutig, stark, beherzt« find­en vom 30. April bis zum 4. Mai 2025 rund 1.500 Ver­anstal­tun­gen im Rah­men des 39. Deutschen Evan­ge­lis­chen Kirchen­tags in Han­nover statt. Unter den zahlre­ichen kirch­lichen Grup­pen ist auch die Kirche des Fliegen­den Spaghet­ti­mon­sters Deutsch­land (KdF­S­MD) mit einem Stand auf dem »Markt der Möglichkeit­en« (Halle 6, D42) vertreten. Dadurch wird aus Sicht von eini­gen Besuch­ern die Ver­anstal­tung zu einem wahrhaft evan­ge­lisch-pasta­farischen Kirchen­tag.

Im Zen­trum des pasta­farischen Beitrags ste­hen die Pasta­fari rund um Brud­er Mayo, Vor­sitzen­der der KdF­S­MD, sowie Mar­gar­i­tos von Buca­ti­ni, Son­der­beauf­tragter für Prak­tis­che Pasta­farolo­gie. In Han­nover wird die Tra­di­tion fort­ge­set­zt, die sich bere­its beim vor­ange­gan­genen Kirchen­tag 2023 in Nürn­berg abgeze­ich­net hat­te. Das pasta­farische Wirken wird aus außer­pasta­farisch­er Per­spek­tive im his­torischen Rück­blick von PD Dr. the­ol. Mar­tin Fritz vom Refer­at I (Grund­satzfra­gen, Strö­mungen des säku­laren und religiösen Zeit­geistes, Evan­ge­likalis­mus und pfin­gstlich-charis­ma­tis­ches Chris­ten­tum) der Evan­ge­lis­chen Zen­tral­stelle für Weltan­schau­ungs­fra­gen (EZW) wie fol­gt beschrieben:

»Bei dem Protes­tanten­tr­e­f­fen in Nürn­berg 2023 war die KdF­SM (sic!) – zur all­ge­meinen Verblüf­fung, teils mehr zur Belus­ti­gung, teils mehr zum Befrem­den der Besucherin­nen und Beobachter – mit einem Stand auf dem „Markt der Möglichkeit­en“ vertreten. Dort ließen engagierte Pasta­fari das Nudel­monster Wass­er in Bier ver­wan­deln, vol­l­zo­gen mit einem Föhn rit­uelle „Ent­tau­fun­gen“ und war­ben für den Kirchenaus­tritt.«

Politischer Kontext

Der diesjährige Kirchen­tag ist poli­tisch einge­bet­tet durch ein Beken­nt­nis des Nieder­säch­sis­chen Land­tages zum Kirchen­tag und der Rolle der Kirchen. Auf Ini­tia­tive von Grant Hen­drik Tonne (SPD), Cari­na Her­mann (CDU) und Volk­er Bajus (Bünd­nis 90/Die Grü­nen) wurde es im März 2025 mit großer Mehrheit beschlossen. Das Kirchenin­sti­tut hat diese Ini­tia­tive mit ein­er kom­men­tierten Beilage zur »Res­o­lu­tion des Nieder­säch­sis­chen Land­tages zum Evan­ge­lis­chen Kirchen­tag 2025 und zur beson­deren Bedeu­tung der Kirchen und des inter­re­ligiösen Dialoges in Nieder­sach­sen« (Drs. 19/6904) pos­i­tiv aufge­grif­f­en. Die weni­gen kur­siv gekennze­ich­neten Pas­sagen stam­men vom Kirchenin­sti­tut – der weit über­wiegende Teil des Textes entspricht dem Orig­i­nal und enthält, aus pasta­farisch­er Sicht, bemerkenswert tragfähige For­mulierun­gen von reli­gion­spoli­tis­ch­er Rel­e­vanz.

Staatskirchlicher Rahmen

In der Res­o­lu­tion wird mehrfach Bezug genom­men auf den Loc­c­umer Ver­trag und das Nieder­sach­senkonko­r­dat. Prof. Dr. Hans Michael Nudelmey­er, LL.M., Kirchen­rechtler am Kirchenin­sti­tut, ord­net ein:

»In diesem Jahr gedenken wir zweier his­torisch­er Weichen­stel­lun­gen des nieder­säch­sis­chen Staatskirchen­rechts: der Loc­c­umer Ver­trag zum 70. Mal und das Nieder­sach­senkonko­r­dat zum 60. Mal. Bei­de Vere­in­barun­gen haben das Ver­hält­nis von Staat und Kirche in Nieder­sach­sen und Deutsch­land geprägt – und ste­hen sinnbildlich für einen reli­gion­spoli­tis­chen Son­der­weg Deutsch­lands, der wed­er dem Gemein­wohl noch den ver­fas­sungsrechtlichen Geboten von Neu­tral­ität und Gle­ich­be­hand­lung dien­lich war.«

Kritik am politischen Bekenntnis

Scharfe Kri­tik an der Res­o­lu­tion kam hinge­gen vom Human­is­tis­chen Ver­band Deutsch­lands (HVD) Nieder­sach­sen, Kör­per­schaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.). Dessen Präsi­dent Gui­do Wies­ner sprach von einem »in mehreren grundle­gen­den und ver­fas­sungsrechtlich rel­e­van­ten Punk­ten inakzept­ablen« Text. Für den Zen­tral­rat der Kon­fes­sions­freien sagte der Vor­sitzende Philipp Möller, in der Res­o­lu­tion werde die »gesellschaftliche Funk­tion der Kirchen und des Kirchen­tags maß­los über­be­w­ertet« und der Kirchen­tag befände sich im »Mega­trend der Säku­lar­isierung«:

»Das Wun­schdenken der protes­tantisch-poli­tis­chen Bub­ble hat mit der gesellschaftlichen Real­ität Deutsch­lands nur wenig zu tun.«

Es sei wichtig für die gesamte Gesellschaft, so Möller, dass sich die Kirche dem schrit­tweisen Abbau ihrer Son­der­rechte und Sub­ven­tio­nen nicht länger ent­ge­gen­stelle. Das ver­al­tete Staatskirchen­recht sei ein guter Nährbo­den für schlechte Entwick­lun­gen und er fasst zusam­men: »Ein mod­ern­er Kirchen­tag muss auch ein Forum für die Debat­te um die Mod­ernisierung der Reli­gion­spoli­tik sein.«

Staatskirchenrecht und historische Beständigkeit

Joseph Capelli­ni, Grün­dungs­di­rek­tor des Kirchenin­sti­tuts, ver­weist in diesem Zusam­men­hang auf die struk­turelle Behar­rlichkeit des deutschen Staatskirchen­rechts – und zitiert aus einem Klass­er der The­olo­gie, sein­er »Ein­führung in das Pasta­far­i­tum«:

»Nun sagen manche, nicht von unge­fähr trage unser Staatskirchen­recht so altehrwürdi­ge Züge, wie schon weit vor des Propheten Geburt der über alle Regime anerkan­nte evan­ge­lis­che Kirchen­rechtler Johannes Heck­el mitzuteilen wusste – seines Zeichens Präsi­dent des Ver­fas­sungs- und Ver­wal­tungs­gerichts der Vere­inigten Evan­ge­lisch-Lutherischen Kirche Deutsch­lands in der Bon­ner Kirchen­re­pub­lik und wei­land im Drit­ten Reich Grün­dungsmit­glied der Akademie für Deutsches Recht sowie Beirat des Reichsin­sti­tuts für Geschichte des dama­li­gen neuen Deutsch­lands. Kein Teil des Staat­srechts, so befand er, sei so beständig wie das Staatskirchen­recht. Über Jahrhun­derte hin­weg behaupteten sich manche Leit­be­griffe und Grund­sätze – selb­st ganze Nor­men seien über irdis­che Vergänglichkeit erhaben.«

Capelli­ni resümiert:

»Die pasta­farische Kirche ver­mag heute den­noch – in weit auss­chwin­gen­der Bewe­gung des Enter­hak­ens – als Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaft das Staatskirchen­recht in der Tiefe zu erfassen. Was spricht dafür? Sie unter­schei­det sich struk­turell in nichts von anderen Reli­gio­nen. Das Kirchenin­sti­tut sieht hierin nicht nur einen reli­gion­spoli­tis­chen Befund, son­dern auch eine Auf­forderung, beste­hende Struk­turen in einem demokratis­chen Rechtsstaat stets neu zu befra­gen.«

Das Kirchenin­sti­tut wird den Kirchen­tag 2025 wis­senschaftlich begleit­en. Beobachtet wer­den ins­beson­dere For­mate mit inter­re­ligiösem Anspruch, staatliche Förder­struk­turen sowie die Beteili­gung außer­pasta­farisch­er Akteure. Eine abschließende Doku­men­ta­tion erscheint im Som­mer 2028 – voraus­sichtlich im Zusam­men­hang mit der Veröf­fentlichung der Schluss­bi­lanz des Trägervere­ins »39. Deutsch­er Evan­ge­lis­ch­er Kirchen­tag Han­nover 2025 e. V.«.