Unter dem Motto »mutig, stark, beherzt« finden vom 30. April bis zum 4. Mai 2025 rund 1.500 Veranstaltungen im Rahmen des 39. Deutschen Evangelischen Kirchentags in Hannover statt. Unter den zahlreichen kirchlichen Gruppen ist auch die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland (KdFSMD) mit einem Stand auf dem »Markt der Möglichkeiten« (Halle 6, D42) vertreten. Dadurch wird aus Sicht von einigen Besuchern die Veranstaltung zu einem wahrhaft evangelisch-pastafarischen Kirchentag.
Im Zentrum des pastafarischen Beitrags stehen die Pastafari rund um Bruder Mayo, Vorsitzender der KdFSMD, sowie Margaritos von Bucatini, Sonderbeauftragter für Praktische Pastafarologie. In Hannover wird die Tradition fortgesetzt, die sich bereits beim vorangegangenen Kirchentag 2023 in Nürnberg abgezeichnet hatte. Das pastafarische Wirken wird aus außerpastafarischer Perspektive im historischen Rückblick von PD Dr. theol. Martin Fritz vom Referat I (Grundsatzfragen, Strömungen des säkularen und religiösen Zeitgeistes, Evangelikalismus und pfingstlich-charismatisches Christentum) der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) wie folgt beschrieben:
»Bei dem Protestantentreffen in Nürnberg 2023 war die KdFSM (sic!) – zur allgemeinen Verblüffung, teils mehr zur Belustigung, teils mehr zum Befremden der Besucherinnen und Beobachter – mit einem Stand auf dem „Markt der Möglichkeiten“ vertreten. Dort ließen engagierte Pastafari das Nudelmonster Wasser in Bier verwandeln, vollzogen mit einem Föhn rituelle „Enttaufungen“ und warben für den Kirchenaustritt.«
Politischer Kontext
Der diesjährige Kirchentag ist politisch eingebettet durch ein Bekenntnis des Niedersächsischen Landtages zum Kirchentag und der Rolle der Kirchen. Auf Initiative von Grant Hendrik Tonne (SPD), Carina Hermann (CDU) und Volker Bajus (Bündnis 90/Die Grünen) wurde es im März 2025 mit großer Mehrheit beschlossen. Das Kircheninstitut hat diese Initiative mit einer kommentierten Beilage zur »Resolution des Niedersächsischen Landtages zum Evangelischen Kirchentag 2025 und zur besonderen Bedeutung der Kirchen und des interreligiösen Dialoges in Niedersachsen« (Drs. 19/6904) positiv aufgegriffen. Die wenigen kursiv gekennzeichneten Passagen stammen vom Kircheninstitut – der weit überwiegende Teil des Textes entspricht dem Original und enthält, aus pastafarischer Sicht, bemerkenswert tragfähige Formulierungen von religionspolitischer Relevanz.
Staatskirchlicher Rahmen
In der Resolution wird mehrfach Bezug genommen auf den Loccumer Vertrag und das Niedersachsenkonkordat. Prof. Dr. Hans Michael Nudelmeyer, LL.M., Kirchenrechtler am Kircheninstitut, ordnet ein:
»In diesem Jahr gedenken wir zweier historischer Weichenstellungen des niedersächsischen Staatskirchenrechts: der Loccumer Vertrag zum 70. Mal und das Niedersachsenkonkordat zum 60. Mal. Beide Vereinbarungen haben das Verhältnis von Staat und Kirche in Niedersachsen und Deutschland geprägt – und stehen sinnbildlich für einen religionspolitischen Sonderweg Deutschlands, der weder dem Gemeinwohl noch den verfassungsrechtlichen Geboten von Neutralität und Gleichbehandlung dienlich war.«
Kritik am politischen Bekenntnis
Scharfe Kritik an der Resolution kam hingegen vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) Niedersachsen, Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.). Dessen Präsident Guido Wiesner sprach von einem »in mehreren grundlegenden und verfassungsrechtlich relevanten Punkten inakzeptablen« Text. Für den Zentralrat der Konfessionsfreien sagte der Vorsitzende Philipp Möller, in der Resolution werde die »gesellschaftliche Funktion der Kirchen und des Kirchentags maßlos überbewertet« und der Kirchentag befände sich im »Megatrend der Säkularisierung«:
»Das Wunschdenken der protestantisch-politischen Bubble hat mit der gesellschaftlichen Realität Deutschlands nur wenig zu tun.«
Es sei wichtig für die gesamte Gesellschaft, so Möller, dass sich die Kirche dem schrittweisen Abbau ihrer Sonderrechte und Subventionen nicht länger entgegenstelle. Das veraltete Staatskirchenrecht sei ein guter Nährboden für schlechte Entwicklungen und er fasst zusammen: »Ein moderner Kirchentag muss auch ein Forum für die Debatte um die Modernisierung der Religionspolitik sein.«
Staatskirchenrecht und historische Beständigkeit
Joseph Capellini, Gründungsdirektor des Kircheninstituts, verweist in diesem Zusammenhang auf die strukturelle Beharrlichkeit des deutschen Staatskirchenrechts – und zitiert aus einem Klasser der Theologie, seiner »Einführung in das Pastafaritum«:
»Nun sagen manche, nicht von ungefähr trage unser Staatskirchenrecht so altehrwürdige Züge, wie schon weit vor des Propheten Geburt der über alle Regime anerkannte evangelische Kirchenrechtler Johannes Heckel mitzuteilen wusste – seines Zeichens Präsident des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands in der Bonner Kirchenrepublik und weiland im Dritten Reich Gründungsmitglied der Akademie für Deutsches Recht sowie Beirat des Reichsinstituts für Geschichte des damaligen neuen Deutschlands. Kein Teil des Staatsrechts, so befand er, sei so beständig wie das Staatskirchenrecht. Über Jahrhunderte hinweg behaupteten sich manche Leitbegriffe und Grundsätze – selbst ganze Normen seien über irdische Vergänglichkeit erhaben.«
Capellini resümiert:
»Die pastafarische Kirche vermag heute dennoch – in weit ausschwingender Bewegung des Enterhakens – als Weltanschauungsgemeinschaft das Staatskirchenrecht in der Tiefe zu erfassen. Was spricht dafür? Sie unterscheidet sich strukturell in nichts von anderen Religionen. Das Kircheninstitut sieht hierin nicht nur einen religionspolitischen Befund, sondern auch eine Aufforderung, bestehende Strukturen in einem demokratischen Rechtsstaat stets neu zu befragen.«
Das Kircheninstitut wird den Kirchentag 2025 wissenschaftlich begleiten. Beobachtet werden insbesondere Formate mit interreligiösem Anspruch, staatliche Förderstrukturen sowie die Beteiligung außerpastafarischer Akteure. Eine abschließende Dokumentation erscheint im Sommer 2028 – voraussichtlich im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Schlussbilanz des Trägervereins »39. Deutscher Evangelischer Kirchentag Hannover 2025 e. V.«.